Wie im Nebel
Ende September fuhr ich mit Bahn und Bus von Konstanz auf die Insel Reichenau. Ganze 33 Minuten dauerte diese Fahrt bei Sonnenschein und in herbstlicher Wärme ohne Wind. Ich hatte geplant, auf dem Seeuferweg von Niederzell nach Mittelzell zu spazieren. Deshalb riet mir der Fahrer bei der Station „Kreuz“ auszusteigen. Das tat ich, obwohl ich ein mulmiges Gefühl in mir spürte. Ist diese Station nicht in der Nähe der St. Georg-Kirche Oberzell, am Anfang der 4,7 km langen Insel? Da stand ich also am „Kreuz“. Ganz unvermittelt wich die Sonne, und Nebel legte sich wie eine graue Flauschdecke über die zwei- und einstöckigen Häuser, die Gewächshäuser bis auf die Hundehütte in nächster Nähe. Meine Windjacke wurde feucht, das Gras am Ackerrand und die Strasse wurden nass, obwohl es nicht regnete.
Ich drehte mich in alle vier Himmelsrichtungen, ohne einen Fixpunkt orten zu können. Alle drei Kirchen liegen höher als der Bodensee; also musste ich eine aufwärtsführende Strasse wählen. Bewege ich mich im Kreis, wenn ich in die nächste Strasse links einbiege, dann gerade aus und wieder links – oder doch besser rechts gehe? Weshalb gibt es hier
so selten Strassenschilder?
Noch war es sehr neblig, doch feine Sonnenstrahlen versuchten, eine bange Stunde später, auf eine weisse Hauswand zu gelangen: „St. Pirmin-Apotheke“ las ich erleichtert. Jetzt weiss ich, wo ich bin – ca. einen Kilometer vor dem Münster Mittelzell. Jetzt konnte ich zügig weitergehen und schon bald, als Bestätigung, den Fixpunkt „Münster-Turm“ sehen. Erleichtert und dankbar setzte ich mich in den ältesten Teil, den Westtrakt, und nach geraumer Zeit auf die Bank mit Blick über den Gnadensee nach Allensbach /Hegne.
Den Spaziergang am Seeuferweg musste ich abkürzen. Seit diesem Erlebnis kommen mir jedoch noch immer „Nebelgedanken“ hoch, die mit meinen vergangenen Lebensjahren in Verbindung stehen: Wann / wo / wie erlebte ich „Nebelphasen“? Wo suchte ich Fixpunkte? Was / wer gab mir Orientierung? Wo / wie wurde mir klar, wann ich abbiegen muss?
In welche Richtung?
Ich bin Gott dankbar, dass ich diese Nebelerfahrungen machen musste. Ich bin überzeugt, dass ER mich hindurchführte. Irgendwann darf ich nicht nur einige Seiner Strahlen, sondern Seine Herrlichkeit schauen. Darauf freue ich mich.
Sr. Herta Handschin
12.10.2017
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