Studientage
Wir Schwestern setzen uns nicht einfach zur Ruhe, obwohl die Mehrzahl von uns aus Altersgründen das Recht dazu hätte. Wir möchten als Verkünderinnen der Botschaft Jesu das uns Mögliche probieren, zumindest anstossen. Wo können wir unseren missionarischen Auftrag noch wahrnehmen?
Wir haben eine schöne moderne Klosterkirche. Gäste und Kursteilnehmende des angrenzenden Bildungshauses sind beeindruckt vom Anblick der betenden Schwestern, doch unsere religiöse Sprache verstehen sie weitgehend nicht mehr. Hier wollen wir ansetzen, eine Veränderung einleiten.
An unserem Studientag vom 7.Februar war Frau Dr.Birgit Jeggle unsere Referentin. Als Liturgiewissenschaftlerin weitete sie unseren Blick für eine neue religiöse Sprache in unseren Gottesdiensten. Es geht nicht darum, die Liturgie und ihre altehrwürdigen Texte total neu zu erfinden. Es handelt sich um ein Übersetzungsproblem in die Sprache, die heute gesprochen und verstanden wird, damit Menschen sich – im wahrsten Sinne des Wortes – angesprochen fühlen.
Ein gutes Beispiel sind unsere Gottesanreden. Ist Gott für uns in erster Linie der Allmächtige? Und was bedeutet das genau? Oder: Ist Gott nur Mann, ist er nicht auch Frau? Wo kommt dieses umfassende Gottesbild in unserer Kirchensprache vor? Gott, der du uns Vater und Mutter bist in einem… Es liessen sich hier vielfältige Beispiele anführen. Der Studientag hat sie uns ins Bewusstsein gehoben.
Am 13.März teilte Frau Brigitte Poggiolini mit uns ihr breites Wissen über die Mystik, speziell über Margarete Porete, die im 13.Jahrhundert lebte, und zwar als Begine* mit hohem Bildungsniveau. Ihr Werk „Spiegel der einfachen Seelen“ fand zu ihren Lebzeiten weite Verbreitung. Margarete wurde der Häresie bezichtigt und in Paris zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Auch heute noch stossen wir beim Lesen ihrer Texte auf Begriffe, die sehr missverständlich sind. Nach ihrem Tod muss ihre Schrift weiterhin auf ernsthaft gottsuchende Menschen einen beträchtlichen Einfluss gehabt haben. Spuren finden sich z.B. bei dem bekannten Mystiker des Dominikanerordens, Meister Eckhart, einem Zeitgenossen von Margarete Porete.
*Als Beginen wurden jene Frauen bezeichnet, die sich in Gemeinschaften organisierten, ein spirituelles Leben führten und für ihren Lebensunterhalt selbst aufkamen. Margarete Porete wird eine einzeln lebende Wanderbegine gewesen sein.
Sr.Ingrid Grave
April 2019