Unser Kloster hat keine Mauern
Zum Abschluss des 800-jährigen Jubiläums unseres Ordens sprach Papst Franziskus in eindrücklichen Worten zu uns. In einer Welt, wie im Karneval berauscht, sei es unser besonderer Auftrag, dem Evangelium Jesu Christi treu zu dienen in Wort und Tat. „Ihr seid das Salz der Erde und das Licht der Welt.” (Mt 5, 13–16) Dieses Jesuswort – heute in einer Gesellschaft des Scheins, des Konsums und der ausgelassenen Oberflächlichkeit zu uns gesprochen – lässt uns betroffen innehalten. Sind nicht alle Werte relativ geworden? Sogar die Wahrheit kommt geschminkt daher. Wir bewegen uns in der sogenannten „flüssigen Gesellschaft“ (vgl. Zygmunt Baumann). Die Menschen suchen nach Fixpunkten in ihrem Leben. Sie erfahren sich oft wie aus ihrem „Koordinatensystem“ herausgefallen, ohne solide stabile Bezugspunkte für ihre Identität. Das müssen wir wahrnehmen und wollen es eingehender studieren. Worunter leiden die Menschen aktuell besonders? Ist es nicht der zwanghafte Druck von Wachstum, Innovation und Beschleunigung, die uns das kapitalistische Denken aufoktroyiert? Die Angst vor den dramatischen Folgen unseres Handelns, das uns effektiv an unsere existentiellen Grenzen bringt? Wir sehen den Krisenzustand der Natur, unserer Erde, der Politik, des Zerfalls gemeinschaftlicher Strukturen, schwindender Solidarität unter den Völkern, sowie persönliche Sinnkrisen mit ihren Zukunftsängsten.
Mit diesen Fragen haben wir uns an unserer Weiterbildung am 5. Juni befasst, natürlich auch im Kontext des Evangeliums. Wie können wir dem „Flüssigen“ Konkretes entgegensetzen? Was sind die „guten Werke“ in all dem Flüchtigen, Unsicheren und Kurzlebigen? Wir stehen erst am Anfang. Gottes Heiliger Geist wird uns helfen und erleuchten müssen. Sein Feuer wird uns – zusammen mit den vielen Menschen guten Willens – ganz neu beleben müssen. Wie könnten wir sonst Salz der Erde und Licht der Welt sein?
Sr. Wilhelma Kalpers
Juli 2019