Junia-Initiative und Frauenorden
Ein Beitrag zum Zoom-Meeting am 17. Mai:
Wir wissen so wenig über Junia, und doch ist dieses Wenige von tragender Bedeutung! Forschungen unserer Zeit haben aufgedeckt, dass Junia – als Frau – über Jahrhunderte unter einem Namen versteckt gehalten wurde, der sie als Mann auswies. In unserer Zeit darf sie nun wieder das werden, was sie immer war: Eine Frau! Eine Frau der ersten Stunde in der Geschichte der Kirche. In seinem Brief an die Römer (16,7) reiht Paulus sie – gemeinsam mit ihrem Mann Andronikus – unter die „angesehenen Apostel“ ein, die mit ihm im Gefängnis waren.
Wir Frauen des 20./21. Jahrhunderts erleben das Gefangensein auf andere Art. In unserer Kirche selbst. Unsichtbare Mauern, über Jahrhunderte errichtet von einer männlichen Hierarchie, verwehren uns den Zutritt zu den Ämtern in der Kirche. Das gilt für uns alle, ganz gleich, ob wir uns als verheiratete oder unverheiratete Frauen in der Kirche engagieren, oder ob wir uns als Ordensfrauen in den Dienst des Evangeliums stellen. In der Forderung nach Gleichberechtigung kann Junia uns allen zu einer Leitfigur werden. Denn als Apostelin wird Junia – wie ihre männlichen Kollegen – aus der jeweiligen Situation heraus das getan haben, was der Heilige Geist ihr eingab.
In den vielfältigen Orden der Kirche wurde ein Gehorsamsideal hochstilisiert, welches sehr oft im Widerspruch stand zu dem, was Jesus uns vorgelebt hat. Jesus ging seinen irdischen Weg im Hören auf Gott, den er Vater nannte. Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen, so werden es später Petrus und die Apostel formulieren, als sie vor den religiösen Obrigkeiten ihr Auftreten im Namen Jesu verteidigten (Apg 5,29).Uns aber, den Ordensfrauen, stellte man ein Ideal vor Augen, das uns zu gehorsamen Töchtern der Kirche machen sollte. So noch formuliert in einem Schreiben von Rom, als eine Dominikanerin sich öffentlich für das Frauenpriestertum ausgesprochen hatte. Gegen Ende des 20.Jahrhunderts.
Das Ideal des Gehorsams den geweihten Männern gegenüber, seien es Priester, Bischöfe und andere mit Macht ausgestattete Hierarchen, wurde über Jahrhunderte verinnerlicht. Unbewusst schwingt es bis heute in unserer Psyche mit. Hier haben wir Ordensfrauen anzusetzen, denn man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Eine ganze Reihe von uns haben sich ein grosses theologisches Wissen angeeignet. Andere haben ein volles Theologiestudium absolviert – so wie es für das priesterliche Weiheamt vorgeschrieben ist. Aber zu sakramentalen Handlungen werden die Theologinnen der Klöster nicht zugelassen. Weil sie Frauen sind.
Ich weiss, es gibt unter uns die ungehorsamen Töchter der Kirche, die trotz des Verbotes sterbenden Menschen das Verzeihen Gottes zusprechen, jungen Paaren den Segen Gottes zusichern auf ihrem gemeinsamen Weg. Sie tun das aus einer Situation heraus, wo oftmals ausdrücklich kein Priester mehr erwünscht ist, der Glaube an einen liebenden Gott jedoch nicht verloren ging. Aus Liebe zu den Menschen handeln diese Schwestern im Ungehorsam gegen die Kirche.
Wir Ordensschwestern sollten uns nicht scheuen, so zu handeln, denn es ist ein vor Gott verantworteter Ungehorsam. Tun wir – im Hören auf Gott – was der Geist uns eingibt. Zum Wohle der Menschen! Sr. Ingrid Grave
(Bild von der Junia Initiative zur Verfügung gestellt – mit herzlichem Dank!)