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Der heilige Dominikus

Es war im Jahr 1206
Domi­ni­kus war etwa 34 Jah­re alt.
Ein Unbe­kann­ter, die­ser Dom­in­go de Guz­man. Oder eher ein Nie­mand?
„Nie­mand war gewöhn­li­cher als er“, so sag­te man von ihm.

Ein mage­rer jun­ger Mann aus dem unbe­deu­ten­den Cale­rue­ga.
Einer, der in Palen­cia eine klei­ne Schu­le besucht und wahr­schein­lich nie ein Diplom in Theo­lo­gie erhal­ten hat­te – in jenem Fach, das er so sehr lieb­te.
Man wuss­te nicht ein­mal, dass „blau­es“ Blut in sei­nen Adern floss, ver­bor­gen unter sei­nen Strassenkleidern.

Ein bei­na­he Unbe­kann­ter. Ein Augu­sti­ner Chor­herr aus Bur­gos de Osma, einer armen Diö­ze­se – arm im Ver­gleich zu Tou­lou­se und Car­cas­son­ne.
Er war ein stil­ler Mensch – zu ruhig für man­che, aber er war ein auf­merk­sa­mer Zuhö­rer, hörend und ler­nend.
Er ass wenig und rühr­te kaum ein Glas Wein an.
Man könn­te mei­nen, er pas­se nicht in die dama­li­ge Gesellschaft.

Doch er hat­te ein Lächeln, das jede Umge­bung erhell­te.
Er glaub­te an die Men­schen – er ver­trau­te ihnen – er trau­te ihnen mehr zu, als sie sich selbst zutrau­ten.
Doch er selbst, er war ein Unbe­kann­ter im Schat­ten sei­nes Bischofs.

Bischof Die­go hin­ge­gen war ange­se­hen.
Mit sei­ner Kathe­dra­le im Schat­ten des könig­li­chen Schlos­ses war er König Alfon­sos Bera­ter.
Und so hat­te der König im Jahr zuvor Die­go in den Nor­den gesandt, um eine däni­sche Prin­zes­sin für sei­nen Sohn als Braut zu holen.

Die­go hat­te sich Dom­in­go zum Beglei­ter für die­se lan­ge Rei­se aus­ge­wählt.
Welch eine ande­re Welt als Cale­rue­ga oder Palen­cia oder Bur­gos de Osma!
Doch nun sind sie zurück aus dem Nor­den – ohne die Prinzessin.

In Tou­lou­se lern­te Domi­ni­kus die Katha­rer ken­nen.
Pazi­fi­sten, die ein ganz ande­res Evan­ge­li­um ver­kün­de­ten, die in Ein­fach­heit leb­ten und für die Armen ein­tra­ten. Die jedoch durch die römi­sche Kir­che als Häre­ti­ker ver­folgt wur­den.
Hier in Tou­lou­se – die Begeg­nung mit dem Wirt, einem Katha­rer!
Die gan­ze Nacht hör­te Domi­ni­kus ihm zu. Und schliess­lich waren die Wor­te des Domi­ni­kus klar und gütig genug, den Wirt zu überzeugen.

Die­go und Domi­ni­kus tref­fen auf die päpst­li­chen Lega­ten. Sie sol­len den Häre­ti­kern pre­di­gen: Katha­rer und Wal­den­ser.
Mit Schwer­tern aus­ge­rü­stet kom­men sie daher, hoch zu Ross, jedoch mit hän­gen­den Köp­fen, denn ihre Pre­digt erreicht die Men­schen nicht. Sie bleibt ohne Erfolg.
„Euer Pomp passt nicht zum Evan­ge­li­um des armen Chri­stus!“ stellt Die­go fest.
Bischof Die­go und Domi­ni­kus waren in der Tat eines bes­se­ren belehrt wor­den!
Durch jene näm­lich, die die Kir­che Häre­ti­ker nannte.

Sie ent­schie­den sich, in der Pro­vence zu blei­ben.
Allein, ihre Pfer­de und ihr Gefol­ge sand­ten sie nach Spa­ni­en zurück.
„Wir wol­len in Armut den Men­schen pre­di­gen“, sag­te Die­go.
Bar­fuss gin­gen sie von Stadt zu Stadt. Sie pre­dig­ten und hör­ten zu.
Sie hör­ten zu und pre­dig­ten. – Sie lehr­ten und sie lern­ten.
Sie pre­dig­ten, obwohl sie nur sel­ten gehört wur­den. In Ein­fach­heit und Gewalt­lo­sig­keit!
Wenn ihre Wor­te nicht gehört wur­den, so fand ihre Ein­fach­heit und Inte­gri­tät Anerkennung.

Ihr Haupt­quar­tier in jenem Jahr war Fan­jeaux, ein hoch­ge­le­ge­nes Dorf.
Etwa 10 km Fuss­marsch bis Mont­re­al, über 30 km nach Car­cas­son­ne, und etwa 75 km nach Tou­lou­se, dem Ort, wo Domi­ni­kus dem Wirt begeg­net war.
Vor ihnen aus­ge­brei­tet eine Ebe­ne mit Stras­sen.
Und wo die Stras­sen sich trenn­ten, eine leich­te Erhe­bung, ent­stan­den vor lan­ger Zeit…
Eine zer­fal­le­ne Müh­le, ein paar Hüt­ten… ein gott­ver­las­se­ner Ort mit der Kir­che St. Mari­en…
das war Prouillhe.

Es kamen Frau­en.
Katho­li­kin­nen, eini­ge von ihnen hat­ten zu den Katha­rern gehört, jetzt ver­folgt durch deren Pre­di­ger… Fami­lie und Heim haben sie ver­lo­ren.
„Grün­den wir für sie eine Klo­ster­ge­mein­schaft“, sag­te Die­go zu Domi­ni­kus.
„Der Ort Prouil­he ist sehr geeig­net“.
Und so sam­mel­te er sie:
Ray­mon­de, Clai­re und Ali­ce, Ric­car­da und Bar­ba­ra, Wil­hel­mi­ne von Bel­pech und Wil­hel­mi­ne von Fan­jeaux, Gen­ti­a­na und Ermessan­de – und wie sie alle heissen.

Domi­ni­kus lehr­te sie gemein­sam beten, Psalm für Psalm.
Die­je­ni­gen, die vor­her bei den Katha­rern gewe­sen waren, kann­ten die Schrif­ten, aller­dings in ihrem Dia­lekt. Ver­mut­lich hat­ten sie sogar gepre­digt.
Jetzt aber hat­ten sie Latein zu ler­nen, muss­ten still sein, da Domi­ni­kus ihnen predigte.

In die­ser Zeit wid­me­ten sich Die­go und Domi­ni­kus der Pre­digt, doch sie stiess bei den Men­schen häu­fi­ger auf tau­be Ohren als dass sie gehört wur­de.
Doch sie gaben die Visi­on nicht auf, dass der Wahr­heit am besten gedient sei durch Offen­heit und Ein­sicht;
dass die Wahr­heit den Irren­den hält, und dass der Pre­di­ger selbst in ihr gehal­ten ist – in Gebet und Trä­nen in schlaf­lo­sen Näch­ten.
Sie blie­ben ihrer Visi­on treu von einer hei­li­gen Predigt.

Obwohl sie Zuwen­dun­gen von Kriegs­leu­ten annah­men, lehn­ten sie strikt alle Instru­men­te des Krie­ges ab.

Das war damals – 1206!
Das war in der Pro­vence, einem Land, das noch nicht wuss­te um die Exi­stenz von Kon­ti­nen­ten jen­seits des Mee­res.
Das war in einer Kir­che, die über­zeugt war, dass Frau­en und Lai­en zu schwei­gen hät­ten.
Ihre ein­zi­ge Auf­ga­be sei es, die Pre­digt durch Gebet und Süh­ne zu unter­stüt­zen.
Das war eine Kir­che, die mehr als bereit war, Gewalt anzu­wen­den, und eine Ver­kün­di­gung zu stüt­zen, die Anders­den­ken­den kei­nen Raum liess.

Nur ein Jahr spä­ter: Die­go stirbt und wird in sei­ner Hei­mat in Bur­gos de Osma begra­ben.
Domi­ni­kus aber, noch immer ein Unbe­kann­ter, bleibt allein, um die Visi­on zu rea­li­sie­ren, einen Orden zu grün­den aus einer zusam­men­ge­wür­fel­ten Grup­pe von beten­den Prie­stern und Nonnen,von gut­wil­li­gen und ein­fa­chen Men­schen bis hin zu Men­schen aus der Gesell­schafts­schicht der Gebil­de­ten und Intellektuellen.

Nahe­zu wei­te­re 10 Jah­re ver­zeich­ne­ten sie mehr Nie­der­la­gen als Erfolge.

Doch sie gaben nicht auf.
Denn sie hat­ten eine Visi­on.
Und die Visi­on bleibt.
Die Visi­on muss sich in jeder Kri­sen­zeit der Kir­che neu erfüllen.

Eine Kri­se der Kir­che. Das ist jetzt.
Eine Kri­se der Gesell­schaft, das ist heu­te.
Die Visi­on des Domi­ni­kus gehört ins Jetzt.

Medi­ta­tiv-poe­ti­scher Text, ver­fasst von der ame­ri­ka­ni­schen Domi­ni­ka­ne­rin Susan­ne Noff­ke, leicht gekürzt von Sr. Ingrid Gra­ve