Mach den Raum deines Zeltes weit,
spann deine Zelttücher aus,
ohne zu sparen.
Mach die Stricke lang und die Pflöcke fest!
Denn nach rechts und links breitest du dich aus.
Fürchte dich nicht, du wirst nicht beschämt.
Dein Schöpfer ist dein Gemahl.
Ja, dein Gott hat dich gerufen
als verlassene bekümmerte Frau.
Kann man denn die Frau verstossen,
die man in der Jugend geliebt hat?
spricht dein Gott. (Jesaja 54)
Meditation
Unser Zelt, unser Haus ist als Gebäude ziemlich gross und weit. Doch das schützt uns nicht vor ängstlicher Abgrenzung. Äussere Abgrenzung hat Einfluss auf den eigenen inneren Raum, auf den Raum des Herzens.
Andererseits: Wieviel äusseren Raum brauche ich, um ganz bei mir zu sein? Raum, Ruhe, Zeit für Gott, der in mir lebt, der mich vor Jahrzehnten in seine Nähe rief.
Der Prophet Jesaja spricht von Gott als dem Gemahl Israels. Gott – Gemahl auch für den einzelnen Menschen?
Nach rechts und links wirst du dich ausbreiten, sagt Gott zu seiner Geliebten Israel. Wenn ich den Raum meines Herzens, mein inneres Zelt, weite, dann finden viele Menschen darin Platz.
Die untreue Gemahlin Israel – alt geworden, sie fühlt sich verlassen. Als sie jung war, hat sie für Jahwe ihr Herz weit gemacht, doch dann gab es Phasen in ihrem Leben, wo sie sich weltlichen Schätzen zuwendete. Jeder Mensch kennt diese Phasen, die auch Phasen der Sehnsucht sind nach dem verlorenen Geliebten. Doch Gott, der unwandelbare Geliebte, sagt: Kann man die Frau, die man in der Jugend geliebt hat, vergessen?
Gott traut uns zu, dass wir – auch als alternde Gemeinschaft – nach Phasen des Irrens und des Bekümmertseins den Raum unseres Zeltes wieder weiten können für das Hinausschauen in die Weite: Was kommt auf uns zu?
Gott erneuert unsere Jugend (Ps 103,5).
Sr. Ingrid Grave
Juli 2022